Der 1. Weltkrieg in den Alpen

Die zwölfte Isonzoschlacht 

 

II.

In starken, uneinnehmbar, ja unangreifbar scheinenden Bergstellungen der Julischen Alpen erwartete die italienische II. Armee des Generalleutnants Capello den Vorstoß der Deutschen und Österreich-Ungarn. Die Vorbereitungen zum Angriff, das Durchschleusen der Divisionen auf engen, weithin einzusehenden Talstraßen, die Angriffsgruppierungen konnten nicht verborgen bleiben. Unerklärlich bleibt aber die geringe Gegenwirkung des Feindes während der letzten Tage vor dem Angriff. Im Gebiete vom Rombon bis zum Krn sperrte das italienische IV. Korps (Divisionen 50, 43, 46) die Talstraße auf Saga und das Becken von Karfreit. Kräfte des XXVII. Korps konnten aus Linie Kolovrat-Rücken - Gegend Auzza - Canale das Becken von Tolmein unter Feuer halten. Den schmalen Frontabschnitt der Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist verteidigten die Divisionen 25, 60 und 30 des XXIV. Korps in starken Stellungen.
Nördlich des Monte San Gabriele schloß sich mit den Divisionen 23, 53 und 8 das II. Korps an. Bei und nördlich von Görz stand als Südflügel der II. Armee im Anschluß an die III. Armee des Herzogs von Aosta das VI. Korps mit den Divisionen 68, 24 und 48. Nicht weniger als 56 Brigaden und 4 Alpinigruppen, insgesamt wohl 350 Bataillone der II. Armee sollten den Anprall aufhalten und abschlagen.
Cadorna war zuversichtlich und meldete: "Der Gegner hat unter starker Mitwirkung von deutschen Truppen und Kriegsmitteln ansehnliche Kräfte an unserer Front für eine Offensive versammelt. Der feindliche Stoß findet uns fest und gut vorbereitet." Am 24. Oktober entfesselte General v. Belows Armeebefehl eiserne Hammerschläge. Deutsche und österreichisch-ungarische Stoßdivisionen dringen unwiderstehlich gegen die italienische Front. Ein gewaltiger Druck erschüttert den Gebirgswall. Ganze Stellungssysteme wanken. Weite Abschnitte geben nach und werden durchstoßen. Der Durchbruch ist nicht aufzuhalten. In tiefe, klaffende Lücken dringen Stoßtruppen frontal, flankierend, umfassend und aufrollend durch die gigantische Alpenstellung. In zweieinhalb Tagen wird zweieinhalbjährige Arbeit in Stücke zertrümmert. Ohne Beispiel in der Kriegsgeschichte ist der Gedanke, der diesen Durchbruchsplan ersann, ohne Beispiel die Entschlossenheit der Führung und der sieghafte Angriffsgeist der Truppe. Infanterie stürmt Alpengipfel.
Vergessen sind endlose Märsche auf nassen Straßen, vergessen kalte Nächte bei strömendem Regen unter freiem Himmel. Truppen, die das Hochgebirge nicht kennen, wetteifern mit gebirgserfahrenen Divisionen: General v.Below fordert die Höchstleistung der XIV. Armee: den Durchbruch des ganzen Stellungsnetzes im ersten Anlauf über die Berge der Alpen. Um 2 Uhr nachts am 24. Oktober beginnt ein vernichtendes Gasschießen gegen die feindlichen Batterieräume. Mit Tageslicht, gegen 6 Uhr 30 Minuten vormittags, setzt ein verheerendes Wirkungsschießen der Artillerie und Minenwerfergruppen ein. Muster-gültige Vorarbeiten für den Artillerieaufmarsch, für das Einschießen und das Wirkungsfeuer kommen zur Geltung und bahnen der Infanterie die Straßen zum Angriff. Über alles Lob erhaben sind diese Vorbereitungen des Generals v. Berendt. Niemals wird die Infanterie der Schwesterwaffe diese Tat vergessen. Mit der Artillerie wetteifern die Minenwerfer. Nach rastloser Erkundungs- und Vorbereitungsarbeit (unter Leitung des Majors v. Roessing) schlagen deutsche Minen breite Straßen in die Hindernisse und zerschmettern ganze Stellungen. Zwei je 200 m breite Gassen durch das Hindernis verlangt allein bei Flitsch eine Angriffsdivision. Trotz starken Nebels werden diese Bahnen in kürzester Zeit geschaffen. Entsetzen herrscht drüben in den Gräben, und grauenhaft ballen sich die Klumpen zusammen unter stürzenden Trümmern. Um 8 Uhr vormittags tritt zwischen Tolmein und Flitsch die Infanterie zum Angriff an. Bereits 2 Uhr nachmittags hat die Gruppe Krauß auf dem rechten Armeeflügel die Stellungen am Rombon gestürmt. In tapferm Anlauf stürmt österreichisch-ungarische Infanterie vom rechten Flügel der Gruppe Stein Stellungen in Linie Krn-Westhang des Mrzli. Inzwischen dringt die deutsche Division Lequis aus der Talstraße von Tolmein ungestüm vorwärts. Rechts und links hält zwar der Feind beherrschende Höhenstellungen. Aber Nebelschwaden hindern die Fernsicht und den Blick in das Tal. Der Italiener ahnt nicht, daß tief unten deutsche Infanterie durchstößt auf Karfreit, daß bereits 1 Uhr nachmittags Kamno, bald nach 2 Uhr Idersko am Isonzo erreicht ist. Die Grundlinie des ganzen Bergsystems vom Krn zum Kolovrat wird eingerissen durch den kühnen Talmarsch der Division Lequis. Der linke Flügel der Gruppe Stein greift nach Überrennung der vordersten Talstellung südwestlich Tolmein zusammen mit der Gruppe Berrer die feindliche Hauptstellung auf dem Kolovrat-Rücken an. Stürmende Infanterie klettert von der 160 m hohen Talsohle im feindlichen Feuer die steilen Hänge bis über 1000 m empor. Die Gipfel des Kolovrat bilden in dem stark befestigten Stellungsknoten bei Höhe 1114 den Schlüsselpunkt dieses ganzen Systems. Bereits am Nachmittag kann der Sturm gegen Punkt 1114 und das benachbarte Massiv des Haefnik angesetzt werden. Weiter südlich bricht die Stellung des Jeza-Blockes im Angriff der Gruppe Berrer zusammen. Unablässig drückt der Südflügel der Armee (Gruppe Scotti) über den Hrad Vrh gegen die Kette des Globocak vor. Eiserne Meißel hat General v. Below angesetzt gegen die Felsblöcke der Julischen Alpen. Teutonenkräfte bohren und schlagen, Löcher werden zu klaffenden Lücken. Wie eine eherne Maschine arbeitet die Armee an den Granitwällen der Berge, frißt sich tief hinein durch Hindernis und Beton. Sie arbeitet genau nach Überlegung und Plan.
"Der Angriff findet am 24. Oktober statt." So lautet der Armeebefehl vom Tage zuvor. Der Abend des 24. Oktobers ist angebrochen. Das Flitscher Becken bis dicht östlich Saga ist geöffnet. Die Südhänge des Krn sind gestürmt. Karfreit im Isonzo-Tal, die Höhenstellungen westlich und südwestlich Tolmein sind genommen. Kein Zusatz, keine Änderung zum Armeebefehl wird gegeben. Der Angriff geht weiter! Tag und Nacht!

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Erlebnisberichte aus dem 1. Weltkrieg: 
Der Durchbruch von Flitsch Oktober 1917 

 

 Der deutsche Heeresbericht vom 25. Oktober 1917:

Die Isonzo-Front bei Flitsch und Tolmein durchbrochen

Sturmerfolge in 30 Kilometer Breite - Bisher über 10000 Italiener gefangen

Großes Hauptquartier, 25. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
In Flandern lag tagsüber stärkeres Feuer als sonst auf der Kampfzone zwischen der Küste und Blankaartsee.
Von dort bis zur Lys belegte der Feind die einzelnen Abschnitte mit Feuerwellen, die sich vom Houthoulster Walde bis Passchendaele gegen Abend zu heftigstem Trommelfeuer verdichteten. Größere Angriffe erfolgten nicht.
Im Artois und bei St. Quentin spielten sich Vorfeldkämpfe mit uns günstigem Erfolge ab.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz:
Am Oise-Aisne-Kanal verlief der Tag bei geringer Feuertätigkeit des Feindes.
Kurz vor Dunkelheit schwoll schlagartig der Feuerkampf wieder an. An mehreren Stellen drangen französische Erkundungstruppen vor; sie wurden überall abgewiesen.
Nachts blieb das Feuer lebhaft.
Zwischen Aisne und Maas kam es mehrfach zu Erkundungskämpfen, die örtliche Steigerung des Feuers hervorriefen.
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Nichts von Bedeutung.
Mazedonische Front:
In den meisten Abschnitten hat sich die Artillerietätigkeit verstärkt.
Italienische Front:
Waffentreu traten gestern deutsche und österreichisch-ungarische Truppen Seite an Seite in den Kampf gegen den ehemaligen Verbündeten.
In mehr als 30 Kilometer Breite nach kurzer, starker Feuerwirkung zum Sturm antretend, durchbrachen oft bewährte Divisionen die italienische Isonzo-Front in den Becken von Flitsch und Tolmein.
Die Täler sperrenden starken Stellungen des Feindes wurden im ersten Stoß überrannt; trotz zäher Gegenwehr erklommen unsere Truppen die steilen Berghänge und stürmten die feindlichen Stützpunkte, welche die Höhen krönten.
Schnee und Regen erschwerten das Vorwärtskommen in dem zerrissenen Gebirgsgelände; ihre Einwirkung wurde überall überwunden. Hartnäckiger Widerstand der Italiener mußte mehrfach in erbitterten Nahkämpfen gebrochen werden.
Die Kampfhandlung nimmt ihren Fortgang.
Bis zum Abend waren mehr als 10000 Gefangene, dabei Divisions- und Brigadestäbe, und reiche Beute an Geschützen und Kriegsmaterial gemeldet.

Der Erste Generalquartiermeister
    Ludendorff.

Hinrichtungen im 1. Weltkrieg
Von den Österreichern hingerichtete tschechische Legionäre
Siehe auch: Hinrichtungen an der Ostfront (www.ostfront.net)

Texte und Fotos aus dem 1. Weltkrieg

Verweise zu Seiten über den 1. Weltkrieg

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